psychiatrische Pflege

Dienstag, 18. Dezember 2012

Bewährte Rezepturen

Gerne möchte ich Ihnen nunmehr meine gesammelten, bewährten Rezepturen für die psychiatrische Pflege zur Verfügung stellen.
Veröffentlicht wurden diese allesamt von mir, bi verschiedensten Tagungen, in der Zeitschrift FORUM des Forum Essenzia in Deutschland und des Newsletters des aromaFORUM Österreichs.
Auch auf der Homepage des aromaFORUM Österreichs sind diese auch zu ersehen: www.aromaforum-oesterreich.at.




Ausgleichende Mischung bei Manie: 4 Tr. Bergamotte, 2 Tr. Lavendel, 1 Tr. Myrte Anden, 2 Tr. Sandelholz in 100 ml Olivenöl.
Anwendung: 1x–2x täglich sanft einreiben, zum Beispiel auf Hand und Arm.
Erdende Körperölmischung bei Borderline-Persönlichkeitsstörung: 4 Tr. Melisse + 2 Tr. Myrte Anden, 2 Tr. Palmarosa, 1 Tr. Patchouli, 1 Tr. Ylang Ylang, in 20 ml Olivenöl
Anwendung: 1x–2x täglich sanft einreiben, zum Beispiel auf Hand und Arm.
Aromaölmischung bei Schizophrenie: 1 Tr. Atlaszeder oder 1 Tr. Sandelholz, 100 ml Olivenöl.
Anwendung: 1x–2x täglich sanft einreiben, zum Beispiel auf Hand und Arm.

„Aufmunternde“ Mischung bei Stimmungsabfall: 7 Tr. Mandarine, 2 Tr. Myrte Marokko, 1 Tr. Rosmarin Ct. Cineol in 100 ml Olivenöl
Anwendung: 1x–2x täglich sanft einreiben, zum Beispiel auf Hand und Arm.
Aufhellende Mischung bei Depressionen: 1 Tr. Basilikum, 5 Tr. Bergamotte, 1 Tr. Jasmin, 3 Tr. Sandelholz in 50 ml Olivenöl
Anwendung: 1x–2x täglich sanft einreiben, zum Beispiel auf Hand und Arm.

Beruhigende, entspannende Mischung bei Angstzuständen: 2 Tr. Benzoe Siam, 2 Tr. Bergamotte, 6 Tr. Grapefruit in100 ml Olivenöl
Anwendung: 1x–2x täglich sanft einreiben, zum Beispiel auf Hand und Arm.

Beruhigende, entspannende Mischung bei Schlafstörungen: 6 Tr. Bergamotte, 4 Tr. Lavendel, 3 Tr. Rosenholz, 2 Tr. Tonka in 100 ml Olivenöl oder anderes fettes Pflanzenöl.
Anwendung: Hand-Arm-Streichung vor der gewünschten Einschlafzeit

Manie:
2 Tr. Benzoe, 4 Tr. Mandarine, 6 Tr. Lavendel auf 100ml
2 Tr. Melisse 1%, 1 Tr. Geranie, 1 Tr. Patchouli, 1 Tr. Sandelholz, 1 Tr. Linaloeholz, 2 Tr. Orange auf 50ml

Schizophrenie
1 Tr. Zeder oder Sandelholz auf 100ml fettes Öl
1 Tr. Estragon, 1 Tr. Basilikum, 1 Tr. Lavndel auf 100ml fettes Öl

Sucht
6 Tr. Grapefruit, 2 Tr. Neroli, 2 Tr. Myrrhe, 1 Tr. Zeder auf 50ml
4 Tr. Mandarine, 2 Tr. Ylang Ylang, 1 Tr. Narde, 4 Tr. Benzoe siam auf 50ml

Psysom
4 Tr. Bergamotte, 1 Tr. Angelika, 2 Tr. Benzoe siam, 1 Tr. Zeder Atlas auf 50ml
2 Tr. Neroli, 2 Tr. Tonka, 1 Tr. Sandelholz, 1 Tr. Muskatellersalbei auf 50ml

Depression
8 Tr. Lavendel, 4 Tr. Melisse, 10 Tr. Bergamotte, 2 Tr. Benzoe ad 100ml
3 Tr. Lavendel, 1 Tr. Narde, 2 Tr. Bergamotte ad 50ml

Donnerstag, 30. August 2012

Artikel NATURaromen - Kooperationsmöglichkeiten in der professionellen psychiatrischen Pflege

Ätherische Öle – von der Basisanwendung zur professionellen Pflegeanwendung
Ätherische Öle hier, Aromapflege da. Jeder kennt es, jeder benützt sie – im Privatem wie auch Beruflichem. Wellness ist überall und Aromapflege mittendrin.

Selbst im täglichen Kampf um Patientenzahlen hat man „Aromapflege“ für sich gefunden. Es entspricht dem Wunsch der Patienten, signalisiert Natürlichkeit und ein gewisses Maß an ökologischem Bewusstsein. Auch in der Gesundheits- und Krankenpflege erlebt Aromapflege einen Boom.

Aromapflege bedeutet aber mehr. Ätherische Öle wirken über unterschiedlichste Wege auf uns ein. Immer aber sprechen sie Psyche und Körper gemeinsam an. Dadurch wird der Anwender regelrecht gezwungen, Probleme nicht isoliert zu betrachten. Eine ganzheitliche Sichtweise ist Programm.
Genau diese Art der ganzheitlichen Betrachtungsweise ist es, die den Vorteil der Aromapflege ausmacht. Einerseits wird nach alter Tradition symptomorientiert und wissenschaftlich gearbeitet und gleichzeitig im Sinne einer modernen Pflege auch der Mensch dahinter mit seinem Umfeld und seiner psychischen Situation berücksichtigt.

Hierzulande werden ätherische Öle als Ergänzung bestehender Pflegemaßnahmen eingesetzt. Sie dienen der Pflege als unterstützendes und begleitendes Werkzeug. Sie steigern das allgemeine Wohlbefinden und fördern Beziehungsarbeit.

Lange schon arbeitet die Gesundheits- und Krankenpflege bereits mit Aromen und Wohlgerüchen. Selbst in alten Pflegeschriften lassen sich Einträge über die positive Wirkung der Aromen nachlesen. Aromapflege wird von den unterschiedlichsten Berufen des Gesundheitssystems eingesetzt und findet in den verschiedensten Formen Anwendung.
Scheinbar jede Einrichtung, gar jede Abteilung hat ein individuelles Aromapflege – Konzept. Die Möglichkeiten der Anwendungen scheinen endlos, die persönliche Auslegung ebenso.

Schwierig wird es vor allem für Außenstehende, wenn sie versuchen einen gemeinsamen Nenner zu finden, da Konzepte oder Aromapflege – Standards erst in den letzten 10 Jahren Einzug in unseren Arbeitsalltag halten.
Wie in so vielen Fällen, haben wir in der Gesundheits- und Krankenpflege lange und erfolgreich gearbeitet, um erst später zu bemerken, dass es an dem Wichtigsten fehlt:
o Nachweisbarkeit
o Vergleichbarkeit
o Konzept und Standard

Die Möglichkeiten der modernen Wissenschaft und die Instrumente des EBN ermöglichen uns nun aber einen neuen Zugang zu diesem bewährten Thema. Wir sind nun in der Lage vorhandenes Wissen fachkompetent aufzubereiten und Andern zugänglich zu machen.

Eine weitere wichtige Errungenschaft ist der Aufbau einer landesweiten fundierten Aus- und Weiterbildung aller Pflegekräfte, angelehnt an das Curriculum für die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege. Ein erster Schritt in diese Richtung war die Standardisierung der Basisausbildung Aromapflege.

Professionelle Pflege kann, im eigenverantwortlichen wie mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich, qualifizierte Aromapflege leisten. Vorraussetzung dafür ist Weiterbildung „Komplementäre Pflege – Aromapflege“ nach §64 GuKG WV, die das nötige Wissen vermittelt.

Die Länder Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Niederösterreich und Wien haben mit 2 großen Ausbildungsstätten (u. a. aromaFORUM Österreich) bereits eine einheitliche §64 Weiterbildung anzubieten. Diese ist in allen genannten Bundesländern ident und aufgrund ihrer Stundenanzahl im deutschsprachigem Raum Vorreiter. Aber auch in den Bundesländern Kärnten, Vorarlberg und Steiermark gibt es anerkannte Weiterbildungen für die Aromapflege nach §64 GuKG.


Aromapflege ist ein Instrument der modernen Gesundheits- und Krankenpflege. Sie ist nicht mehr nur eine kleine Sparte der unwissenschaftlichen oder esoterischen Ecke der Pflege. Nein, sie ist nunmehr ein Teil der allseits anerkannten komplementären Pflegemethoden. Um nicht zu sagen, momentan, der bekannteste Part der komplementären Pflege.

Die Arbeit mit den ätherischen Ölen stellt aktuell die umfassendste, ganzheitlichste Pflegemethode dar. Sie ist nicht nur in einzelnen Bereichen einsetzbar, sondern in allen Fachgebieten der Pflege und Medizin vertreten. Viele Pflegekonzepte sind nur in wenigen, sehr isolierten Bereichen einsetzbar. Nicht so die Aromapflege. Sie ermöglicht uns mit wenigen Korrekturen, in Dosierung und Auswahl des verwendeten ätherischen Öls, die Umsetzung in allen Fachbereichen. Von der pädiatrischen zur gerontologischen oder intensiv Pflege ist Aromapflege vertreten.

Aromapflege wirkt. Aromapflege ist ein anerkanntes Pflegeinstrument. Und zudem eine überaus willkommene Bereicherung des Pflegealltags für Patient wie Personal.

Aromapflege vs. Aromatherapie
Die Aromapflege versteht sich als Unterstützung bzw. Ergänzung der alltäglichen Pflegehandlungen. Sie ist keine Pflegmaßnahme für sich alleine, kein eigenes Pflegemodell und kann dadurch an allen Fachabteilungen, bei unterschiedlichsten Pflegekonzepten in den Stationsalltag integriert werden. Des Weiteren kann Aromapflege keinerlei therapeutische Maßnahmen ersetzen.
Aromapflege bewegt sich im eigenverantwortlichen Tätigkeitsbereich der Aufgaben des Pflegedienstes. Sie geschieht immer im Ermessen der Einzelperson und nach deren fachlicher Schulung. Je nach Standard der Einrichtung, können verschiedene Maßnahmen im Rahmen des Pflegeprozesses an weniger geschultes Diplompersonal oder auch Pflegehilfsdienste delegiert werden.








Aromatherapie hingegen ist den Ärzten vorbehalten (österr. Gesetzeslage!) und beinhaltet alle Maßnahmen der tgl. Pflege aber vor alle auch alle invasiven/therapeutischen Handlungen. Dies wäre etwa die Behandlung von Wunden oder die Verabreichung von Zäpfchen oder Vaginalsuppositorien.
Aromatherapeutische Maßnahmen können lt. mitverantwortlichem Tätigkeitsbereich der Pflege vom Arzt angeordnet und an den gehobenen Dienst der Pflege delegiert werden. Dies jedoch nur nach schriftl. Anordnung und nachdem sich der behandelnde Arzt davon überzeugt hat, dass die Pflegeperson über die notwendigen fachlichen Vorraussetzungen verfügt.
Die Pflegeperson hält hier die Durchführungsverantwortung, der Arzt die Behandlungsverantwortung. D. h., sollte die Pflegeperson nicht über eine entsprechende fachliche Eignung verfügen, muss sie den Arzt darüber informieren und gegebenenfalls die an sie delegierte Maßnahme ablehnen.

Eine orale Einnahme bzw. Verschreibung ist in Österreich generell untersagt, auch Ärzte sind hierzu nicht befugt.

Dosierungsvorgaben
Generell gibt es in Österreich die Vereinbarung, dass Aromapflege im Alltag mit Dosierungen zwischen 0,5% (v.a. Wohlfühlbereich, Wellness) und 1% stattfindet. In Ausnahmefällen sind auch punktuelle und kurzzeitige Anwendungen mit bis zu 2% möglich. Hier sind jedoch immer die Vorgaben der Einrichtung, die Absprachen im multiprofessionellen Team, die eigene fachliche Kenntnis und ärztliche Anordnungen zu beachten.

Tropfen auf 100ml Prozent % Anzahl der verwendeten äÖ
Wohlfühlpflege 10 gtt auf 100ml 0,5% beliebig
Allgem. Pflege 20 gtt auf 100ml 1% beliebig

CAVE: ätherische Öle niemals pur anwenden!



Aromapflege hat sich als fachlich fundierte Pflegemethode sowie als Ergänzung bestehender Pflegemaßnahmen etabliert.

Aber auch andere, moderne Anschauungen und Pflegemethoden haben einen Weg in unseren heutigen Pflegealltag gefunden. Wir haben gelernt, sie adäquat einzusetzen und Kooperationen mit anderen komplementären Pflegemethoden gefunden. So können heute mehrere verschiedene Ansätze der Pflege für das Wohl des Patienten kombiniert werden.

Kooperationsmöglichkeiten im Pflegeprozess:
• Kinästhetik
• Basale Stimulation
• Kübler Ross
• Palliativ Pflege
• Therapeutic Touch
• EFT
• Klein´sche Methode
• Pflegetherapeutische Gruppen
• Primäre Pflege
• Genuss- und Wahrnehmungstraining
• Lebensberatung - Lebensstil
• Wickel und Kompressen


Aber auch die Weiterentwicklung der vorhandenen alltäglichen Maßnahmen mittels Aromapflege wurde weiter vorangetrieben.

Aromapflege mit pflegetherapeutischer Haltung und Handlung kombinieren. Sie insbesondere mit dem Konzept der Raumbeduftung zu neuen Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten inspirieren.


KINÄSTHETIK
ist ein Handlingkonzept mit vielen Möglichkeiten
• Interaktion
• Bewegung
• Umwelt
• Anstrengung
• Aktivität
• Menschliche Funktion
Ätherische Öle können hier optimal als Begleitung, Vorbereitung, Entspannung danach oder als Mutmacher eingesetzt werden. Die Anwendung ist auf unterschiedlichen Wegen möglich, durchgesetzt hat sich aber vor allem die Anwendung in Form von Raumbeduftung und als Öleinreibung. Bei Kindern auch als „Mutpflaster“.


BASALE STIMULATION
ist somatisch-körperliche Anregung, welche sämtliche Sinne des menschlichen Körpers anspricht. Wurde speziell für den Bereich der geistigen und körperlichen Behinderungen entwickelt.
Mittlerweile hat sich das überaus erfolgreiche Konzept auch für andere Bereiche der psychischen und physischen Förderung durchgesetzt. So auch im psychiatrischen ereich.

Ätherische Öle finden hier vor allem Verwendung als nasale und gustatorische Reize. Besonders bei Tagesstrukturen und Wohneinrichtungen ist die Anwendung in der Aromaküche sehr beliebt.


WICKEL und KOMPRESSEN
Diese traditionelle Pflegemethode erfährt auch hierzulande eine Renaissance, ergänzt durch die Anwendung von reinen Pflanzen-Ölkompressen oder ätherischen Ölen (z.B. ätherisches ÖL der Zitrone für Fieberwickel).


THERAPEUTIC TOUCH
Therapeutic Touch (TT) ist eine komplementäre Pflegeintervention und Behandlung, bei der die Berührung und der Mensch im Mittelpunkt stehen.
TT ist ganzheitliche Wahrnehmung und Berührung, bewusstes Wahrnehmen, Lenken und Harmonisieren der Vitalenergie.

Ätherische Öle werden hier als Vorbereitung, Begleitung und in der Nachruhephase über Raumbeduftung verwendet. Sie sollen die Räumlichkeiten und alle Beteiligten für die Pflegeanwendung vorbereiten, Vertrauen schaffen sowie die Entspannung vertiefen

PFLEGETHERAPEUTISCHE GRUPPEN, PRIMÄRE PFLEGE
Hier fidnen ätherishce Öle besonders über die Raumbeduftung Anwendung.


EFT – EMOTIONAL FREEDOM TECHNIQUES
EFT knüpft an die Akupunktur-Tradition der Chinesischen Medizin an, mit dem Unterschied, dass keine Nadeln verwendet werden. Stattdessen wird mit den Fingerspitzen auf bestimmte Meridianpunkte geklopft, wodurch der Energiefluss des Körpers positiv beeinflusst wird.

Ätherische Öle werden als zusätzliche Raumbeduftung oder direkt aufgetragen (verdünnt!) zur positiven Beeinflussung der Meridianpunkte verwendet. Entsprechende Fallbeispiele und Erfahrungsberichte – auch von Medizinern wurden in den letzten Jahren bereits publiziert (siehe auch: Abschlussarbeiten 2009 des aromaFORUM Österreich).


Besonders in der psychiatrischen Pflege lässt sich eine optimale Kooperation von Aromapflege und Pflegeintervention vollziehen.
Nirgendwo sonst gelingt es im Pflegealltag so einfach und rasch ätherische Öle einzubinden und sie sowohl als eigenständige Pflegemassnahme zu etablieren, als auch als Ergänzung zu vorhandenen Pflegetechniken.

Besonders die Möglichkeit der Raumbeduftung eröffnet uns hier eine Vielzahl an Kooperationsmöglichkeiten.

Gerne möchte cih Sie ihn diesen Themenbereich verführen und ihnen Lust auf praktische Umstezung machen.


Fazit:
Aromapflege ist eine optionale Unterstützung der täglichen Pflegemaßnahmen.
Aromapflege wirkt - Aromapflege ist belegbar.
Aromapflege ist ein anerkanntes Pflegeinstrument.
Aromapflege lässt sich nicht einschränken auf einzelne „Klassiker“ oder nur wenige Pflegemaßnahmen.




DPGKS Claudia Arbeithuber
Dipl. psychiatrische Gesundheits- und Krankenschwester, Komplementäre Pflege – Aromapflege
Aromapraxis Arbeithuber


Aromapraxis Arbeithuber
Claudia Arbeithuber
Wagnerstr. 29
4523 Neuzeug
07259/31779 - FAX

aromapraxis@aon.at
www.aromapraxis.com
http://aromapraxis.twoday.net/

Montag, 26. September 2011

Von Sucht und Suchtgedächtnis

„Jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut der andre leise.“

Ätherische Öle im Bereich der Sucht:
Von Sucht und Suchtgedächtnis
Am Anfang dieser Geschichte soll ein persönliches Erlebnis stehen, welches meine Meinung bzgl. ätherische Öle und Suchtbehandlung stark beprägt hat.

Es war vor etwa 14 Jahren (~ 1995) als ich jemanden über die Großartigen Erfolge einer Suchtentwöhnung gänzlich ohne Pharmazie und „Bewusstseinsveränderung“ reden hörte. Anfangs interessiert lauschend, konnte ich mich doch rasch am Gespräch beteiligen und hörte mit Erstaunen, dass hier weder Ärzte noch Therapeuten die „Patienten“ betreuen würden. Selbstverständlich gebe es aber eine ärztliche Leitung und sanitätsbehördliche Genehmigungen.
Mein Gegenüber erzählt voll Stolz, wie toll ihnen der Ausstieg aus den schulmedizinischen Zwängen und den gewohnten Lehrmeinungen gelungen sei. Und irgendwann, entschloss er sich doch noch, seinen wissbegierigen Zuhörern das ultimative Geheimnis zu verraten:
Pflanzen – und speziell deren ätherische Öle.

Diese wären für den Zauber des Erfolgs verantwortlich und würden „Unmögliches“ bewirken.

So schnell wie meine Faszination und die der anderen Zuhörer vorhanden war, so schnell verflog sie nun auch wieder. Und über kurz oder lang, hatten sich alle wieder anderen Gesprächsthemen gewidmet.

Nichts desto trotz, hielt mich dieses Thema im Bann. Immer wieder bin ich in meiner Vergangenheit auf ähnliche Aussagen und Berichte gestoßen – glauben konnte ich es nie!

In meinem beruflichen Leben habe ich auch hauptsächlich die Zeit des Entzugs wahrgenommen und kaum Erfahrungen im Bereich der Entwöhnung sammeln können. Durch verschiedenste Beratertätigkeiten in diversen Entwöhnungseinrichtungen und einige Schüler, konnte ich in den letzten 5 Jahren aber auch hier meine Hausaufgaben machen – und bin wiederum beim Thema Sucht und ätherische Öle gelandet.
Leider gibt es auf diesem Gebiet auch unter Aromatologen sehr unterschiedliche Ansätze und „Glaubenssätze“. Ich selbst bin aber zu der Überzeugung gelangt, dass Aromapflege hier genauso unterstützend wirken kann, wie in allen anderen Fachbereichen. Eine alleinige Therapie/Behandlung mit ätherischen Ölen in Entzug oder Entwöhnung scheint mir jedoch wenig zielführend.

Aber nun etwas Konkreter:

Ätherische Öle und Neurobiologie
Seit vielen Jahren wissen wir nun schon um die neurobiologischen Zusammenhänge bzgl. ätherischer Öle – Begriffe wie Neurotransmitter, Solar Plexus, Blut-Hirn-Schranke und Reizschwelle sind uns allen vertraut. Auch gibt es umfassende Studien und wissenschaftliche Berichte zu diesem Thema. Man muss sich nur einmal die Mühe machen und Suchmaschinen wie www.pubmed.com durchforsten, schon hält man reihenweise Abstrakte zu diesem Thema in Händen.
Auch wissen wir, dass ätherische Öle immer „ganzheitliche“ wirken und niemals ein Neurotransmittersystem alleinig beeinflussen, sondern immer das gesamte System. Zumal gerade das System der Neurotransmitter sehr eng ineinander fließt und sich immer gegenseitig beeinflusst.
Besonders gut erforscht sind hier:
• Lavendel – Diazepinrezeptor
• Narde – GABA, Diazepinrezeptor
• Bergamotte - Serotonin

Sucht und Neurobiologie
Auch im Bereich der Suchterkrankungen – und allen anderen psychischen Erkrankungen – steigt unser Wissen um die neurobiologischen Zusammenhänge. So gibt es klare Forschungsergebnisse rund um das Belohnungszentrum (nucleus accumbens) und dessen Hauptsteuerungselement: DOPAMIN.

Suchtmittel wirken, indem sie die Ausschüttung, Anbindung oder Wiederaufnahme von NT hemmen. Die unterschiedlichen Wirkungen von Suchtmitteln erklären sich unter anderem, durch die versch. NT-Systeme (…). Der Neurotransmitter Dopamin wird hauptsächlich im sog. Belohnungszentrum ausgeschüttet (=Suchtzentrum!) und als einziger Botenstoff von ALLEN Suchtmitteln beeinflusst è übermäßig hohe Ausschüttung!

Der Nucleus accumbens besitzt viele Andockstellen für Dopamin, welche auf Schlüsselreize (Belohnung) regieren. Jeder neue Reiz vertieft das vorhergehende Erlebnis. Dies bedeutet unter anderem, dass in den therapeutischen Maßnahmen vor allem auf Schlüsselreize durch Gewohnheiten zu reagieren ist.

Gewohnheiten (ändern):
Wie? Welche Möglichkeiten ergeben sich durch ätherische Öle?


Es reicht auch hier wieder ein kurzer Blick ins WWW mit Suchbegriffen, wie Suchtgedächtnis und Belohnungszentrum aus, um sich auf den aktuellsten Stand der Wissenschaft zu bringen.

Sucht und ätherische Öle
Nun liegt es klar auf der Hand:
 ätherische Öle wirken auf neurobiologischer Ebene, wirken ausgleichend auf das Botenstoffsystem (Neurotransmitter)
 Sucht kennzeichnet neurobiologisch immer ein Ungleichgewicht im Bereich der Botenstoffe

 Diazepinrezeptor anhängige Pharmazeutika werden zur Suchtbehandlung eingesetzt
 Eindeutige Diazepinrezeptor – Affinität von einigen äÖ wurde wissenschaftlich nachgewiesen (Lavendel, Narde)

 Gewohnheiten ändern, heißt Schlüsselreize eliminieren
 Schlüsselreize eliminieren, heißt aktive Rückfallsprophylaxe

Naja, klar vor Augen haben wir nun alle Puzzelteile, aber wie werden sie zusammengefügt?
Wie immer, zeigt sich auch hier, dass die Wissenschaft dem Erfahrungsschatz einzelner hinterherhinkt. Denn obwohl wir bereits vieles wissenschaftlich belegen können, haben wir immer noch eine Reihe von Fragen vor uns:
1. Wie genau wirken welche äÖ auf unser NT-System?
2. Welche äÖ können sich positiv bei der Etablierung neuer Gewohnheiten und Muster auswirken?
3. Wie kann man erklären, dass äÖ (wie etwa Lavendel) Diazepinrezeptoren ganzheitlich beeinflussen im Sinne einer ausgleichenden Wirkung, ohne den Regelkreis der Sucht neu anzufachen?
4. …?

Pflegerische Maßnahmen in der Entwöhnungstherapie:
Umgesetzt werden hier vor allem adjuvante Maßnahmen der Aromapflege. So finden sich psychoedukative Elemente im Bereich des Wahrnehmungstrainings und der Sinnesschule wieder. Auch werden Fantasiereisen und andere Entspannungstechniken mittels Beduftung unterstützt, um so die positiven Empfindungen und positiven Muster mittels Duftgedächtnis weiter zu verankern.
Viele weitere pflegetherapeutische Einsatzmöglichkeiten befinden sich bereits in aktiver Ausübung und von dem einem oder anderen Haus sind in Zukunft auch wissenschaftlich untermauerte Erfahrungsberichte zu erwarten.


Eines ist sicher – es bleibt spannend, auch wenn man es am Anfang gar nicht glauben möchte!



Vieles gebe es hier noch zu berichten, für einen ersten Einblick ist es aber mehr als ausreichend. Ich stehe mit meinem Wissen aber gerne für Fragen und Anregungen zur Verfügung. Auch vermittle ich gerne den Kontakt zu Fachpersonen, die bereits ätherische Öle in ihrem Alltag anwenden.



Meine Erfahrungen und Berichte in diesem Artikel beziehen sich auf meine Arbeit an den Landeskrankenhäuser OÖ. sowie danach in meiner freie Pflegepraxis. Mischungen und Rezepturen stammen tw. von erfahrenen Pflegexperten.


Claudia Arbeithuber

Montag, 28. Juni 2010

ätherische Öle in der Psychiatrie – von Versuch und Irrtum

Handout-zum-Kongress-in-Basel-2010 (pdf, 65 KB)Abstrakts zur ersten Fachtagung für ätherische Öle in der Psychiatrie an der Universitären Pyschiatrie Basel

Versuch und Irrtum – Kurzabstrakt
Aromapflege ist ein Instrument der modernen Gesundheits- und Krankenpflege. Sie ist nicht mehr nur eine kleine Sparte der unwissenschaftlichen oder esoterischen Ecke der Pflege. Nein, sie ist nunmehr ein Teil der allseits anerkannten komplementären Pflegemethoden.

Aromapflege kann jede Pflegemaßnahme ergänzen und ist in allen Fachgebieten einsetzbar. Dies ermöglicht ihr den Siegeszug durch alle Disziplinen.

Auch in der Psychiatrie und vor allem in der psychiatrischen Pflege haben ätherische Öle Einzug gehalten. Vielerorts wird an Konzepten und Umsetzungen gearbeitet. Das vielfältige und sehr unterschiedliche Krankheitsbild in der Psychiatrie macht eine Standardisierung aber nicht gerade einfach. Viele Probleme ergeben sich in der Praxis beim Versuch, Standards aus dem allgemeinen, konservativen Fächern in die psychiatrische Pflege zu integrieren.

Psychiatrie ist anders, Psychiatrie bedarf hier mehr. Und in erster Linie, mehr von uns, mehr für den Patienten, mehr Individualität und Flexibilität und mehr an gemeinsamer Arbeit.

AnwendungsbeobachtungenUm Ihnen einen Einblick in die Reaktionen psychisch kranker Menschen auf ätherische Öle zu bieten, möchte ich ihnen hier einige Beispiele nennen:

Lavendel: So vielseitig Lavendel in seiner Anwendung ist, so vielschichtig sind auch die emotionalen Reaktionen, die er auslösen kann. Lavendel als Raumbeduftung bei Gruppentherapien kann mitunter derartige Spannungen aufbauen, dass die Gruppensitzung abgebrochen werden muss. Überhaupt ist Lavendel bei affektiven Störungen und psychotischen Zuständen sehr bedenklich, da er paradoxe Reaktionen auslösen kann (Spannung statt Entspannung). In der Pflege von verwirrten, älteren Patienten wird er gerne zur Schlafförderung eingesetzt und zur Beruhigung bei emotionalen Krisen. Jedoch sollte er nur in niedrigster Dosierung eingesetzt werden – eine unverdünnte oder hochdosierte Anwendung führt zur Umkehr der gewünschten Wirkung, kann Weinattacken und motorische Unruhe begünstigen.

Rosmarin: Als Teil einer 1%igen Erkältungsmischung kann er bei psychotischen Patient/innen euphorische Gefühlsregungen begünstigen und ein Einschlafen unmöglich machen.

Zeder ist ein wunderbares Öl in der Psychiatrie, besonders in der Arbeit mit psychotischen Patient/innen. Dies bedarf allerdings einiger Erfahrung, sowohl im psychiatrischen Bereich als auch in der Aromapflege. Gerne verwende ich Zeder als Raumduft mit einer Dosierung von 1 Tropfen auf 100 ml fettem Öl. Selbst diese hohe Verdünnung kann für psychotische Patient/innen schon stark duften, da ihre gesamte Außenwahrnehmung um ein Vielfaches gesteigert ist!

Sie sehen, selbst die gängigsten ätherischen Öle können mitunter kleine Überraschungen bereithalten. Streifen sie daher gemeinsam mit mir, durch die unglaubliche Welt der ätherischen Öle. Lernen sie aus meinen Fehlern und profitieren sie von meiner Arbeit in und für die „Psycho – Aromapflege“.



Versuch und Irrtum – Handout
Aromapflege ist ein Instrument der modernen Gesundheits- und Krankenpflege. Sie ist nicht mehr nur eine kleine Sparte der unwissenschaftlichen oder esoterischen Ecke der Pflege. Nein, sie ist nunmehr ein Teil der allseits anerkannten komplementären Pflegemethoden. Um nicht zu sagen, momentan, der bekannteste Part der komplementären Pflege.

Die Arbeit mit den ätherischen Ölen stellt aktuell die umfassendste, ganzheitlichste Pflegemethode dar. Sie ist nicht nur in einzelnen Bereichen einsetzbar, sondern in allen Fachgebieten der Pflege und Medizin vertreten. Viele Pflegekonzepte sind nur in wenigen, sehr isolierten Bereichen einsetzbar. Nicht so die Aromapflege. Sie ermöglicht uns mit wenigen Korrekturen, in Dosierung und Auswahl des verwendeten ätherischen Öls, die Umsetzung in allen Fachbereichen. Von der pädiatrischen zur gerontologischen oder Intensivpflege ist Aromapflege vertreten.

Unser heutiger Fokus liegt ganz auf dem Fachgebiet der Psychiatrie – ihre speziellen Anforderungen, erste Schritte in der Umsetzung, Grenzen und Möglichkeiten im praktischen Alltag sowie der individuellen Konzeptierung.
Begeben sie sich gemeinsam mit mir, auf eine Reise durch die einzelnen Anwendungsgebiete ätherischer Öle im psychiatrischen Alltag und entdecken sie die wunderbare Welt der „Psycho-Aromapflege“.


Die Vielzahl an unterschiedlichsten Krankheitsbildern, die individuellen oftmals schrecklichen Erfahrungen der psychisch kranken Patienten und ihr völlig „andersartiges“ Reagieren auf Düfte, hält so manchen davon ab, auch ihnen die Möglichkeiten der Aromapflege anzubieten.
Mit der nötigen Sorgfalt und dem Respekt gegenüber Patient und ätherischen Ölen gelingt auch hier eine langsame Annäherung und die Erstellung von Standards. Anhand eines Erfahrungsberichtes mit Borderlinepatienten wird eine mögliche Umsetzung der Aromapflege im Alltag einer psychiatrischen Abteilung aufgearbeitet und wichtige Schritte sowie Behandlungsmerkmale präsentiert.

Aromapflege in der psychiatrischen Pflege
Entspannungsbäder mit Milch und Honig oder auch mit den wenigen verfügbaren ätherischen Ölen waren schon immer Teil des psychiatrischen Pflegeangebotes, jedoch meist nur mobilen, selbstständigen und nicht-akuten Patientinnen und Patienten (leichte bis mittelgradige Depressionen, leichte Anpassungsstörungen usw.) vorbehalten. Die Wahl der Öle erfolgte aufgrund des momentanen Angebotes an ätherischen Ölen oder nach persönlichen Vorlieben von Patient/in oder Pflegepersonal. Die Dosierungen erfolgten zumeist „frei aus dem Handgelenk“, ebenso die Wahl des Emulgators.

Als in anderen Bereichen der Pflege zunehmend Standards für den Einsatz ätherischer Öle erarbeitet wurden, versuchte man diese auch in die psychiatrische Pflege zu integrieren. Doch bereits zu Beginn „passierten“ vielfach unerwartete Reaktionen und heftigste Gefühlsregungen. Es zeigte sich, dass für die Psychiatrie eigene Standards nötig sind, und dass vor allem die ätherischen Öle sorgsam ausgewählt werden müssen. Auch die Dosierungsangaben konnten nicht ohne genaue Prüfung übertragen werden.



Tab. 1: Die Dosierungen ätherischer Öle in den verschiedenen Pflegebereichen sind unterschiedlich.


Die Wahl des richtigen Zeitpunktes
In der Arbeit mit psychiatrischen PatientInnen muss genau überlegt sein, wann man gewisse Forderungen an das Gegenüber stellen darf und wann es besser ist, damit noch zu warten. Einfühlungsvermögen und „G´spühr“ ist gefragt. Auch für die Aromapflege gelten hier dieselben Regeln: nicht die Wirkung des ätherischen Öls allein macht dessen Erfolg aus, sondern auch der richtige Einsatz zum richtigen Zeitpunkt. Entscheidend ist hierfür aber nicht nur der aktuelle Zustand des Patienten, sondern auch seine individuelle Vergangenheit, seine persönliche Geschichte.
Ätherische Öle bei völlig fremden psychotischen PatientInnen einzusetzen, sollte für jeden ein Tabu sein. Auch ist es abzulehnen ätherische Öle im Akutzustand, im Raptus oder während einer Fixierung einzusetzen.

Welche Öle dürfen es nun sein?
Am Beispiel psychotischer Patienten:
In meiner Arbeit haben sich einige wenige ätherische Öle für den Einsatz bei psychotischen PatientInnen herauskristallisiert.
Am meisten verwende ich Sandelholz und Zeder, da beide Öle stark beruhigend und ausgleichend wirken. Auch wirken sie sich positiv auf das Schlafverhalten der PatientInnen aus. Sie wirken zentrierend, erdend und fördernd die Konzentration nach Innen – auf das eigene ICH.
Sandelholz Zeder

Des Weiteren verwende ich gerne Basilikum und Estragon. Beides Öle, die nur selten Einzug in die stationäre Aromapflege finden. Für mich jedoch zwei der wichtigsten Öle für die Psyche. Basilikum als kleiner Helfer gegen Stress, Unruhe und Nervosität – als „Nervenöl“ schlecht hin. Und Estragon bei Ängsten und Unsicherheit – zur Stärkung des eigenen ICHs.
Basilikum Estragon

Diese vier sind für mich die beste Unterstützung in der Betreuung und Begleitung psychotischer PatientInnen. Sicherlich gäbe es noch andere und vielleicht auch wirksamere, günstigere, … Öle. Ich habe mich aber für oben genannte entschieden und meine PatientInnen bestätigen mich darin immer wieder aufs Neue.

Zusammenfassung

Der Einsatz ätherischer Öle in der psychiatrischen Pflege muss wohl überlegt sein. Vor allem bei psychotischen Zuständen sollten sie die Wahl ihrer ätherischen Öle gut bedenken und nur Einzelöle in hoher Verdünnung einsetzen. In der Regel beginne ich mit einem Tropfen auf 100ml bzw. 50 ml für erste Geruchsproben und arbeite mich nur langsam hoch. Bei akut-psychotischen Zustandsbildern verzichte ich gänzlich auf den Einsatz ätherischer Öle.

Wichtig ist es, vorab die Situation genau einzuschätzen, intensive Beziehungsarbeit zu leisten, Vertrauen aufzubauen, die Wahl des ätherischen Öles sorgfältig zu überdenken und auf den geeigneten Moment, das Timing zu achten – also das tägliche Brot in der psychiatrischen Pflege.




Aromapflege wirkt. Aromapflege ist ein anerkanntes Pflegeinstrument. Und zudem eine überaus willkommene Bereicherung des Pflegealltags für Patient wie Personal.

Sonntag, 9. Mai 2010

Ätherische Öle im Einsatz – Besonderheiten in der psychiatrisc hen und gerontologischen Aroma - Pflegepraxis

Selbst in unserer aufgeklärten Welt assoziieren wir mit den Begriffen Psychiatrie und psychisch krank lediglich negativ gefärbte Vorstellungen einer Welt voller Wahnsinniger.

Die Geschichte der Psychiatrie selbst ist geprägt von vielen Irrwegen, grausamen „Forschungsmethoden“ und der Angst einer ganzen Bevölkerung vor dem Wahnsinn. Immer schon mussten psychisch kranke Menschen viel Leid ertragen. Stichwörter wie Hexenverbrennung, Exorzismus, Lobodomie, Rassenhygiene und die Verwahrung, jener in so genannten Narrenhäusern („betreut“ von Wärtern) sind uns auch heute noch ein Begriff.

Psychiatrie und Aromapflege:
Die Vielzahl an unterschiedlichsten Krankheitsbildern, die individuellen oftmals schrecklichen Erfahrungen der psychisch kranken PatientInnen und ihr völlig „andersartiges“ Reagieren auf Düfte, hält so manchen davon ab, auch ihnen die Möglichkeiten der Aromapflege anzubieten.

Der Einsatz ätherischer Öle oder auch der Schulmedizin, lässt sich in der Psychiatrie nicht derart klassifizieren, wie wir es aus anderen Bereichen der somatischen Medizin gewohnt sind. Das Erstellen selbst einfachster Pflegestandards erfordert viel Einfühlungsvermögen und ein hohes Maß an Flexibilität. Auch die Frage der Dosierung bedarf hier einer neuen Einschätzung.

Entspannungsbäder mit Milch und Honig oder auch mit den wenigen verfügbaren ätherischen Ölen, waren schon immer Teil des psychiatrischen Pflegeangebotes. Jedoch meist nur mobilen, selbstständigen und Nicht-akuten PatientInnen (leichte bis mittelgradige Depressionen, leichte Anpassungsstörungen usw.) vorbehalten.

Die Wahl der Öle erfolgte aufgrund des momentanen Angebotes an ätherischen Ölen oder nach persönlichen Vorlieben von Patient oder Pflegepersonal. Die Dosierungen waren zumeist „frei aus dem Handgelenk“, ebenso die Wahl des Emulgators.

Als in anderen Bereichen der Pflege zunehmend Standards für den Einsatz ätherischer Öle erarbeitet wurden, versucht man diese auch in die psychiatrische Pflege zu integrieren. Doch bereits zu Beginn „passierten“ vielfach unerwartete Reaktionen und heftigste Gefühlsregungen. Es zeigte sich, dass für die Psychiatrie eigene Standards nötig sind und vor allem die ätherischen Öle sorgsam ausgewählt werden müssen. Auch die Dosierungsangaben konnten nicht ohne genaue Prüfung übertragen werden.

Der normale „lästige“ Patient

Psychiatrische Symptome, geistige Behinderung oder Minderbegabung sowie kognitive Leistungsschwächen sind keine Krankheitsbilder oder Symptome die nur isoliert auf einer Psychiatrie zu finden sind.

Vielfach sind nun auch Pflegende und Mediziner aus den konservativen Bereichen daran, sich aufgrund der steigenden Nebendiagnosen aus dem ICD 10 Kapitel F in diesem Fachgebiet fortzubilden. Dennoch fällt es schwer dem Patientenklientel die nötige Unterstützung und Hilfe im Rahmen einer konservativen Station zu bieten. Die Frustration bei Patient und Team steigt demnach mit jedem neuen Negativerlebnis. Neben der fehlenden Ausbildung/praktischen Erfahrung und dem ständig wachsenden Leistungsdruck an unsere Berufsgruppe - bei sinkender Mitarbeiterzahl – bietet zum Beispiel eine Interne Station nicht das geeignete Setting für die Betreuung eines Borderlinepatienten.

Da ist es dann auch nicht verwunderlich, wenn dem Pflegepersonal selbst bei kleinen Abweichungen im Stationsablauf die Puste ausgeht.

Jeder weiß, dass sich unsere Patienten nicht nur im klinischen Bild unterscheiden, sondern auch in ihrer Persönlichkeitsstruktur. Ein Krankenhausaufenthalt stellt auch für sie und ihre Angehörigen eine große Belastung dar. Sie sind verängstigt, verärgert und ungeduldig. Sie verstehen die Sprache des Behandlungsteams nicht und fühlen sich gegenüber anderen Patienten benachteiligt. Die einzige Möglichkeit für sie, sich zu „Wehren“ und die eigenen Rechte einzufordern geht über das Pflegepersonal. Je nach ihren persönlichen Problemlösungsfertigkeiten sieht dieser Weg unterschiedlich aus:
• ruhig und unterwürfig fragend, bittend
• selbstlos, aufgebend und hilfsbereit – auf andere hoffend
• Verantwortung abgebend, absoluter Rückzug aus dem eigenen selbstständigen Leben
• die Selbstbestimmung massiv zurückerkämpfend
• lässig und cool abwartend
• ängstlich und Unruhe verbreitend um Hilfe suchend

Einem eigenen Verlust der „Kontrolle oder Selbstbeherrschung“ ist in diesem Falle nur vorzubeugen, wenn man sich der Situation des anderen bewusst wird. Man Verständnis für diese Ausnahmesituation aufbringen kann und klar und deutlich das eigene Befinden dem Gegenüber schildert. Nur so kann die Qualität der Pflege unter dem steigenden Leistungsdruck gehalten werden.

Hilfreich sind hier nicht nur die persönliche Einstellung und ein klarer Kommunikationsstil, sondern auch die Verwendung ätherischer Öle. Einerseits der Einsatz beruhigender, ausgleichender und angstlösender Öle auf Seiten des Patienten und seiner Angehörigen. Andererseits persönliche Wohlfühlmischungen oder aktivierende, konzentrationsfördernde Öle bei den Pflegenden.

Grenzzonen der Anwendung:
Unabhängig davon, wie sie in ihrer Institution mit dem Thema Implementierung umgehen und welche Ausgangsfaktoren sie zu beachten haben, gibt es in der psychiatrischen Pflege eine wichtige Grenze zu beachten: BERÜHRUNG.

Psychisch Kranke sind im Allgemeinen sehr sensibel, sie nehmen viel Verborgenes wahr und stellen das Wahrgenommene in Frage – analysieren es. Reizüberflutung ist hier das Stichwort. Visuelle, akustische und olfaktorische Reizen können im Stationsalltag gut verarbeitet werden – Probleme entstehen meist erst bei zusätzlichen taktilen Reizen. Berührung und hier vor allem ungefragte Berührung stellen Grenzüberschreitungen und ein Eindringen in die persönliche Intimsphäre dar. Das mühsam aufgebaute Vertrauensverhältnis kann hier mit einer einzigen unbedachten Bewegung auf ein Minimum reduziert werden – Misstrauen und Unsicherheit treten an dessen Stelle.
Jede Berührung – auch Initialberührungen zu Gesprächsbeginn und aufmunternde Gesten – sollten mit bedacht gewählt werden, Massagen nur bei entsprechendem Vertrauensverhältnis und mit Einverständnis der Patienten. Dennoch sollte man auch dann nicht mit einer Bauchmassage beginnen, sondern sich langsam und über mehrere Anwendungen „herantasten“. Beginnend mit dem Körperteil, welcher vom Patienten selbst als angenehm und unverfänglich bezeichnet wird.

Dosierung und Auswahl der ätherischen Öle

Auswahl ätherischer Öle
Bevor Sie Jemanden eine Unterstützung mit ätherischen Ölen anbieten, sollten Sie für sich einige Fragen klären:
1. Unter welchen Symptomen leidet der Patient?
2. Was möchte ich mit dem Einsatz ätherischer Öle erreichen?
3. Welche Form der Anwendung möchte ich anbieten?
4. Welche ätherischen Öle stehen mir zur Verfügung? Möchte ich einige dieser Öle bereits vorab ausschließen?
5. Hauptinhaltsstoffe der vorhandenen ätherischen Öle und deren Wirkungsweise?
6. Was möchte ich keinesfalls erreichen?

Erst danach sollten Sie dem Patienten gegenübertreten. Ihn über ihre Absichten informieren, die Aromapflege und ihre Möglichkeiten erklären und um sein Einverständnis fragen: „Der Patient als gleichwertiger Partner!“

In einem gemeinsamen Gespräch kann nun auf die individuelle Problematik des Patienten eingegangen und eine Auswahl an ätherischen Ölen getroffen werden. Unterstützend sind hier wieder folgende Leitfragen, diesmal aus Sicht des Patienten:
1. Unter welchen Beschwerden leide ich besonders?
2. Was möchte ich Mithilfe der ätherischen Öle erreichen? Was verspreche ich mir davon?
3. Was möchte ich keinesfalls erreichen? Wovor habe ich Angst?
4. Welche Form der Anwendung sagt mir besonders zu?
5. Welche ätherischen Öle sagen meiner Nase zu? Welche möchte und kann ich überhaupt nicht riechen?
6. Was lösen die von mir bevorzugten ätherischen Öle bei mir aus?

Anschließend werden die bevorzugten ätherischen Öle ausgewählt und die Art der Anwendung bestimmt. Die Mischung erfolgt wieder gemeinsam mit dem Patienten, der die Intensität des Duftes mitbestimmt. Hier gilt vor allem das Prinzip von „Versuch und Irrtum“.

Dosierung in der psychiatrischen Pflege
Psychisch kranke Menschen sind sehr empfindsam. Alle ihre Sinne sind sozusagen in „Alarmbereitschaft“ und nehmen selbst kleinste Sinneseindrücke auf. In der Regel kann man dennoch ohne Probleme mit 1%igen Mischungen arbeiten. Psychiatrische Patienten sind sehr direkt: individuelle Vorlieben und Bedürfnisse werden klar und deutlich reflektiert. Eine Adaption der Dosierung kann somit rasch erfolgen.

Dennoch ist bei einigen Patientengruppen eine andere Dosierung angezeigt. Besonders chronisch Erkrankte und Patienten mit besonders starker Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit und äußeren wie inneren Wahrnehmung bedürfen einer deutlich geringeren Dosierung.


Besonders wichtig ist ein behutsames und gering dosiertes Vorgehen bei folgenden Patientengruppen:
Psychotische Patienten
Manische Patienten
Schwerst depressive Patienten und Patienten mit Burn Out
Schwerst traumatisierte Patienten
Verwirrten Patienten
Essstörungen
Zwangsstörungen

Eine Dosierung mit 1% ist bei folgenden Patientengruppen bisher unproblematisch verlaufen:
Angst- und Panikattacken
Geistige Behinderung Grad 1 bis 3
Persönlichkeitsstörungen
Sexualstörungen

Aber auch Dosierungen die höher sind als gewöhnlich kommen bei psychisch kranken Menschen vor – siehe Seminarinhalte „Duft und Psyche“.

Eine weitere Patientengruppe, bei der unterschiedliche Dosierungen angezeigt sind, ist die große Gruppe der Suchterkrankungen.

Um allen unterschiedlichen Krankheitsbildern gerecht zu werden und den Menschen dahinter, empfiehlt es sich mit den geringsten Dosierungen zu beginnen und gegebenen falls später langsam zu erhöhen.
Unbedingt erforderlich ist jedoch eine kontinuierliche Begleitung und Beobachtung des Patienten. Um eventuelle Veränderung in dessen Befinden und Verhalten rasch zu erkennen und umgehend darauf reagieren zu können.
Niemals darf ein Patient mit einer „neuen“ Mischung alleine gelassen werden!

Zusammenfassung
Ätherische Öle in der Psychiatrie? Ja, natürlich. Einfach umzusetzen? Ja, mit dem nötigen Feingefühl und Know How. Funktionieren Mischungen aus dem somatischen Bereich? Sicherlich, bei einigen Krankheitsbildern ist jedoch Vorsicht in der Dosierung geboten. Auch können einige wenige Öle nur bedingt eingesetzt werden.


So schwierig und auch aufwendig die richtige Wahl ätherischer Öle und das Finden der optimalen Dosierung im Bereich der psychiatrischen Pflege sein können, so enorm sind allerdings auch die Erfolge welche hier verzeichnet werden.

Man muss „lediglich“ mit der nötigen Sorgfalt und dem nötigen Respekt gegenüber Patient und ätherischen Ölen vorgehen und auf eine langsame Annäherung der Dosierung achten.

Wichtig ist es, vorab die Situation genau einzuschätzen, intensive Beziehungsarbeit zu leisten, Vertrauen aufzubauen, die Wahl des ätherischen Öls sorgfältig zu überdenken und auf den geeigneten Moment, das Timing zu achten – also das tägliche Brot in der psychiatrischen Pflege.

Vor allem bei psychotischen Zuständen sollten sie die Wahl ihrer ätherischen Öle gut bedenken und nur Einzelöle in hoher Verdünnung einsetzen. In der Regel beginne ich mit einem Tropfen auf 100ml bzw. 50 ml für erste Geruchsproben und arbeite mich nur langsam hoch. Bei akut-psychotischen Zustandsbildern verzichte ich gänzlich auf den Einsatz ätherischer Öle.

Sprechen Sie mit ihrem Gegenüber! Fragen sie nach Veränderungen oder Gefühlsregungen! Bleiben sie im Kontakt! Und, setzen sie ätherische Öle nur ein, wenn sie genügend Zeit haben, den Patienten in dieser Zeit zu begleiten!

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Herzlich Willkommen

Mein Name ist Claudia Arbeithuber, ich bin dipl. psychiatrische Gesundheits- und Krankenschwester und arbeite seit nunmehr 9 Jahren in der freien Pflegepraxis. Ich beschäftige mich mit: ätherischen Ölen, komplementäre Heilmethoden, Duftberatung und halte Seminare zu diesen Themen. Ich unterrichte auch in der Krankenpflegeschule und habe eine Ausbildung zur Aromapflege nach §64 mitbegründet. Ich wünsche viel Spaß beim Stöbern in meinen Unterlagen. Liebe Grüße Claudia

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